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Funktionstherapie |
1. Übersicht Das Kiefergelenk ist das Gelenk im menschlichen Körper, das am kleinsten und flexibelsten ist und darüber hinaus am häufigsten in Anspruch genommen wird. Bei drei bis fünf Prozent der Weltbevölkerung treten im Laufe des Lebens so schwerwiegende Kieferprobleme auf, dass sie sich ärztlich behandeln lassen müssen. Dabei sind die möglichen Beschwerden vielfältig. Erste eigene Maßnahmen gegen die Probleme können sein, langes Reden, zu harte Nahrung oder Kaugummikauen zu vermeiden bzw. durch autogenes Training Stress abzubauen. Der Zahnarzt entlastet oftmals zunächst das Kiefergelenk mit einer Aufbiss-Schiene, unabhängig davon, welche Ursache den Schmerzen zu Grund liegt. Sie unterstützt unter anderem die Entspannung der Muskulatur und schützt auch „Knirscher“ vor extremer Abnutzung ihrer Zähne. Um die Art und Schwere einer Kiefergelenkerkrankung dann genauer zu bestimmen, kann der Zahnarzt die so genannte Funktionsanalyse anwenden. Mit dieser Analyse können speziell abgestimmte Behandlungsmethoden ermittelt werden. Mit einem so genannten Gesichtsbogen lässt sich dabei die exakte Position der Kiefer zueinander bestimmen.Die nachfolgenden Maßnahmen können aus der Herstellung von Gebiss-Schienen bestehen, mit deren Hilfe der Kauapparat einwandfrei funktionieren kann. Der Gesichtsbogen leistet auch für die Herstellung exakt abgestimmter Zahnkronen, Brücken oder Prothesen bzw. zur Korrektur gute Arbeit. Der Vorteil der Funktionsanalyse besteht darin, dass eine zahnmedizinische Versorgung stattfindet, die exakt auf die persönliche Situation des Patienten zugeschnitten ist. Sie erkennt die Schädigungen am Kausystem und gibt entsprechende Maßnahmen vor. 2. Aufbau und Funktion des Kiefergelenks Das Kiefergelenk ist das Gelenk im menschlichen Körper, das am kleinsten und flexibelsten ist und darüber hinaus am häufigsten in Anspruch genommen wird. Es arbeitet tagtäglich viele tausend Male: Beim Abbeißen, Kauen, Sprechen, Schlucken und beim einfachen Öffnen und Schließen des Mundes. Es verbindet den Unterkiefer mit dem Schädel, kann sich in allen drei Achsen bewegen und gleichzeitig Rotations- und Gleitbewegungen ausführen. Diese enorme Beweglichkeit macht das Kiefergelenk zu einer einzigartigen Funktionseinheit im Körper – nicht zuletzt deshalb, weil der Unterkiefer als einziger Knochen zwei Gelenkköpfe aufweist. Diese Gelenkköpfe kann man selbst fühlen, indem man die Finger vor die Ohren legt und dabei den Mund öffnet und schließt. Durch die Komplexität ist das Kiefergelenk jedoch gleichzeitig sehr anfällig für unterschiedlichste Störungen. So verwundert es nicht, dass Beeinträchtigungen in der Funktion des Kausystems eine weit verbreitete Erkrankung sind: Nach Karies sowie Parodontose bilden sie die dritthäufigste Erkrankung des Kauorgans.
Rund 80 Prozent aller Menschen haben von Zeit zu Zeit geringfügige Störungen in der Funktion ihres Kauapparates. Diese sind meistens so unauffällig, dass sie nur vom Fachmann festgestellt werden könnten. Bei drei bis fünf Prozent aller Menschen äußern sich die Beschwerden allerdings so schwerwiegend, dass sie deshalb einen Arzt oder Zahnarzt aufsuchen müssen.Die verursachten Probleme machen sich fast immer so bemerkbar: - natürlich besonders durch Schmerzen im Kiefergelenk - Kopf-, Ohren-, Nacken- oder Schulterschmerzen - chronische Verspannungen, Taubheitsgefühl in Armen und Fingern - Ohrgeräusche (Tinnitus) - Halsempfindlichkeit, Zungenschmerzen - Bewegungseinschränkung des Unterkiefers, Migräne oder Schwindelanfälle Meistens ist ein Knacken oder Reiben beim Kauen, Öffnen und Schließen des Mundes zu hören. Oftmals lässt sich der Mund gar nicht mehr weit öffnen oder es kommt zum Beispiel beim Gähnen zum "Ausrenken" des Kiefergelenks. Was viele Menschen unterschätzen: Mit Kiefergelenkbeschwerden geht häufig sogar eine Schiefhaltung der Wirbelsäule, bis hin zu einer Rückenproblematik und einer daraus folgenden Becken-Schiefstellung einher. Eine definitive Therapie ist daher oft nur durch die Zusammenarbeit von versierten Orthopäden und Krankengymnasten möglich, um die Muskulatur wieder symmetrisch auszurichten. Auch die Spätfolgen für das falsch funktionierende Kiefergelenk selbst sind nicht zu unterschätzen: Es können Schädigungen der Gelenkscheibe und des Gelenkknorpels oder Entzündungen im Kiefergelenk auftreten. 4. Die Ursachen von Kiefergelenksstörungen Die Ursachen für Kiefergelenkprobleme können – genau wie die Auswirkungen – vielfältig sein: Eine erste eigene Abhilfe kann darin bestehen, zunächst alle harten und krustigen Nahrungsmittel zu meiden. Gerade bei diesen Nahrungsmitteln ist die Belastung für die Kaumuskulatur besonders hoch. Langes Sprechen, weite Mundöffnung und Kaugummikauen sollten ebenfalls vermieden werden, um die Muskulatur nicht weiter zu belasten. Stressabbau beispielsweise durch autogenes Training, Muskelübungen und Selbstmassage der verspannten Kaumuskeln können außerdem helfen, die Muskeln zu lockern und gleichmäßig zu aktivieren. Die Aufbiss-Schiene als erste Behandlungsmaßnahme bei Kiefergelenkproblemen Die erste, wirksame Behandlungsmaßnahme des Zahnarztes besteht in einer Entlastung des Kiefergelenkes mit einer Aufbiss-Schiene. Das ist unabhängig davon, welche Ursache den Kiefergelenkschmerzen zu Grunde liegt. Die Aufbiss-Schiene hilft, die Muskulatur zu entkrampfen und zu entspannen und bringt in der Regel eine deutliche Besserung der Beschwerden. Durch die Entspannung löst sich wiederum die Verkantung des Kiefergelenkes, so dass es bei Bewegungen „in seiner Bahn“ bleibt. Auch das Knacken des Gelenkes kann hierdurch verhindert werden. Eine Aufbiss-Schiene bedeckt alle Kauflächen der Zähne und sorgt dafür, dass die bisherigen Zahnkontakte nicht mehr in ihrer „verspannten“ Lage bleiben. Mit Hilfe der Schiene wird eine ideale Position der Kiefer zueinander simuliert. Diese Position kann durch den Zahnarzt so lange geändert werden, bis eine schmerzfreie, gleichmäßige Bewegung möglich ist. Gleichzeitig schützt eine solche Schiene die Zähne von „Knirschern“ vor extremer Abnutzung. Sie sollte mindestens jede Nacht und gegebenenfalls auch tagsüber getragen werden. Eine Aufbiss-Schiene ist durchsichtig und wird entweder über die oberen oder die unteren Zahnreihen gesetzt. Da sie individuell auf den Patienten angepasst und so filigran wie möglich gearbeitet ist, stört sie kaum und wird nach einer kurzen Eingewöhnungsphase meist gar nicht mehr wahrgenommen. 6. Anschließende Behandlungsmaßnahmen Die eigentliche Diagnose des Problems Neben dieser ersten, kurzfristigen Maßnahme ist das Ziel der Behandlung ein harmonisch funktionierendes Kausystem. Um das zu erreichen, muss die korrekte Position des Gelenkköpfchens in seiner Gelenkpfanne gefunden werden. Im ersten Schritt werden dazu die Bewegungen des Kiefers mit Hilfe eines so genannten Gesichtsbogens (siehe unten auch „Gesichtsbogen und Funktionsdiagnostik“) aufgezeichnet. Daraus lässt sich die exakte Lage der Kiefer zueinander ermitteln und weitere Behandlungsschritte planen. Diagnose mit Hilfe der Funktionsanalyse Die so genannte Funktionsanalyse dient der genauen Bestimmung der Art und der Schwere einer Kiefergelenkerkrankung. Dabei wird das Zusammenspiel des gesamten Kausystems aufgezeichnet und ausgewertet. Denn Kiefergelenk, Zähne und Kaumuskulatur sowie die Muskeln von Gesicht, Hals und Nacken sind normalerweise optimal aufeinander abgestimmt und werden durch einen komplizierten Regelkreis der Nerven gesteuert. Im Normalfall funktioniert dieses Zusammenspiel reibungslos und ohne dass Sie das überhaupt bemerken. Bestehen aber Störungen dieses empfindlichen Kausystems, führt das unweigerlich zu Erkrankungen der Kiefergelenke.
„Wir werden mit einem Gesichtsbogen eine Registrierung Ihrer Kiefer sowie der Kiefergelenke durchführen.“ Diese Aussage wirft bei Patienten in der Regel Fragen auf: Was ist ein Gesichtsbogen und wofür ist eine Registrierung gut? Das Kiefergelenk ist das einzige Gelenk im menschlichen Körper, das auf Grund seiner besonderen Konstruktion nicht nur eine Drehbewegung ausführt, sondern sich auch seitwärts, nach vorne und nach hinten bewegen kann. Alle diese Bewegungen führen beim Abbeißen, Kauen und zum Teil sogar beim Sprechen zu kurzzeitigen Kontakten der oberen und unteren Zähne. Die Zahnoberfläche der Backen- und Schneidezähne bildet sich in ihrem Aussehen funktional exakt nach dem individuellen Bewegungsmuster eines jeden Menschen aus. Daher sind Zähne so individuell wie ein Fingerabdruck. Um das persönliche Bewegungsmuster im Zahnlabor nachbilden zu können, ist es für den Zahntechniker und den Zahnarzt wichtig zu wissen, wo sich sozusagen die "Nullstellung" der Kiefergelenke befindet. Zur korrekten Herstellung von Aufbiss-Schienen, Zahnkronen, Brücken oder Prothesen bedarf es aufwändiger Vorbereitungen. Die Bewegungen der Kiefer folgen je nach Tätigkeit einem bestimmten „Bewegungsmuster“ und bestehen aus Vorwärts- sowie Seitwärtsbewegungen – nicht nur aus dem einfachen Öffnen und Schließen des Mundes. Es ist also wichtig, dass die Kiefer und ihr Zusammenspiel vor Beginn der eigentlichen Arbeit vermessen und dieses Bewegungsmuster aufgezeichnet wird. In der Zahnmedizin nennt man den Vorgang der Vermessung „Registrierung“. Diese Registrierung erfolgt mit Hilfe eines so genannten Gesichtsbogens. Hierzu wird ein spezielles Gestell an bestimmten Punkten im Gesicht angesetzt und der Patient führt einige Bewegungen der Kiefer aus. Diese Bewegungen werden durch eine Registrierplatte aufgezeichnet und es entsteht ein individuelles Bewegungsmuster. Die ermittelten Werte werden später im zahntechnischen Labor auf einen so genannten Artikulator übertragen. Dieses Gerät stellt die Kieferbewegungen mit ihrem ganz individuellen Muster, den Öffnungs-, Schließ- und Seitwärtsbewegungen exakt nach. Nur so lässt sich im zahntechnischen Labor perfekt passender Zahnersatz oder auch eine Aufbiss-Schiene anfertigen. Eine Funktionsanalyse und die damit verbundene Registrierung mit Hilfe des Gesichtsbogens ist also für den Zahntechniker eine wichtige Voraussetzung dafür, seine Arbeit so anzufertigen, dass sie in ihrer Funktion genau den ursprünglichen Zähnen entspricht. Jede Krone oder Brücke ist also immer ein absolutes Einzelstück und so individuell wie ein Fingerabdruck. 8. Maßnahmen im Anschluss an die nach der Funktionsanalyse Nach einer Funktionsanalyse wird beispielsweise das Gebiss durch eine entsprechende Schienentherapie so eingestellt, dass der Patient problemlos essen kann. Weitere Maßnahmen, die sich nach der Aufzeichnung mit dem Gesichtsbogen ergeben, können insgesamt variieren: Beispiele dafür sind die Beseitigung von Gleithindernissen oder die Verkleinerung von Knirschflächen. Gekippte Zähne müssen in ihrer Position korrigiert, vorhandene Zahnlücken durch Zahnersatz geschlossen werden. Um die Stellung der Zähne zu verbessern, greifen auch unter Umständen kieferorthopädische Maßnahmen. Gegebenenfalls muss die Kaufläche der Zähne komplett neu aufgebaut werden. Diese Lösung wird meistens mit prothetischen Konstruktionen, wie zum Beispiel Kronen, Teilkronen, Inlays oder Brücken erreicht. Bei diesen prothetischen Arbeiten ist es besonders wichtig, dass sie erst nach der Registrierung mit dem Gesichtsbogen durchgeführt werden, um neue Fehler zu vermeiden.
Der Vorteil dieser Analyse liegt darin, dass eine zahnmedizinische Versorgung stattfinden kann, die in Aussehen und Funktion genau den persönlichen und natürlichen Gegebenheiten entspricht. Zusätzlich können bereits bestehende Schädigungen des Kausystems erkannt und durch entsprechende zahnmedizinische Maßnahmen beseitigt werden.
Der Nutzen, der sich aus einer professionellen Behandlung von Kiefergelenkerkrankungen ergibt, liegt klar auf der Hand: Da Patienten nun dauerhaft von Schmerzen befreit sind und durch die Behandlung auch weitere Schäden am Kiefergelenk vermieden werden, steigert sich die Lebensqualität enorm. Auch Menschen, die nachts mit den Zähnen knirschen, lassen ihren Partner wieder ruhig schlafen und wachen morgens wesentlich erholter auf. |